Wie wähle ich einen Hydraulikzylinder aus?

Radlader im Straßenbau, Dumper im Transportwesen oder hydraulische Spannvorrichtungen in Bearbeitungszentrum haben trotz aller Unterschiede eins gemeinsam: Sie setzen Hydraulikzylinder ein um hohe Kräfte aufbringen zu können. Wie der passende Hydraulikzylinder ausgewählt wird, möchten wir euch in diesem Artikel erklären:

Auswahlkritierien

Bei den Auswahlkriterien möchten wir uns auf die wesentlichen Kenngrößen eines Hydraulikzylinders begrenzen. Euer Zylinderhersteller wird euch bei der Anfrage weitere Fragen, beispielsweise zu dem gewünschten Anschlussgewinde, der Einsatztemperatur oder ähnliches stellen.

Einfachwirkend oder Doppelwirkend?

Man unterscheidet bei Hydraulik- und Pneumatikzylindern einfach- und doppelwirkende Hydraulikzylinder. Einfachwirkende Zylinder verfügen über eine aktive Bewegungsrichtung, während der doppelwirkende Zylinder aktiv in beide Richtungen bewegt werden kann. Was ist hiermit gemeint? Nehmen wir als typisches Einsatzbeispiel für einen einfachwirkenden Zylinder einen Kipper. Bei einem Kipper handelt es sich um eine spezielle Form eines LKW-Trailers, dieser ist in der Lage Lasten (z.B. Schotter) am Einsatzort durch eine Neigung der Ladefläche abzuladen.
Bei einem Kipper muss eine hohe Last angehoben werden, damit diese durch die Neigung von der Ladefläche rutschen kann. Das heißt während des Hubvorgangs wird eine sehr große Kraft benötigt, um die gesamte Last anzuheben. Diese wird erreicht, in dem die Kolbenseite eines Hydraulikzylinders mit einem Druck beaufschlagt wird. Der Zylinder fährt aus und neigt die Ladefläche. Zum Einfahren des Zylinders wird keine aktive Bewegung benötigt, d.h. das Hydraulikaggregat wird nicht eingeschaltet. Das Eigengewicht der Ladefläche genügt, um den Zylinder einfahren zu lassen. Somit wird während der Senkbewegung kaum Energie benötigt, sondern das einfache Öffnen des Senkventils ist ausreichend.

Im Gegensatz hierzu werden doppelwirkende Zylinder eingesetzt, wenn eine aktive Bewegung in beide Richtung notwendig ist. Ein typisches Beispiel ist die Lenkachse eine Radladers. Nehmen wir an, dass das Rad des Radladers sich nach rechts dreht, wenn die Kolbenstange mit einem Druck beaufschlagt wird. Nun gibt es keine äußere Kraft, welche für eine Gegenbewegung sorgen würde. Stattdessen muss die Ringseite des Hydraulikzylinders mit Druck beaufschlagt werden, um den Zylinder einfahren und somit das Rad nach links drehen zu lassen.

Notwendige Kraft

Eine weitere wichtige Kenngröße ist die aufzubringende Kraft eines Hydraulikzylinders, d.h. für den jeweiligen Anwendungsfall muss ermittelt werden, welche Kraft für die aktive Bewegung benötigt wird. In Verbindung mit der maximalen Knickkraft und dem zulässigen Betriebsdruck lässt sich durch die aufzubringende Kraft der notwendige Kolbendurchmesser bestimmen. Auf diesen Punkt gehen wir im nachfolgenden Praxisbeispiel noch näher ein.

Notwendiger Nutzhub

Als Nutzhub bezeichnet man die Differenz zwischen der ein- und ausgefahrenen Position. Je nach Anwendungsfall kann der notwendige Nutzhub zwischen wenigen Zentimetern und mehren Metern betragen. Vorgegeben wird diese Größe durch die geometrischen Verhältnisse der Konstruktion.

Die Einbaulänge des Zylinders wird maßgeblich von dem Nutzhub des Hydraulikzylinders bestimmt. Berechnet werden kann die Einbaulänge mit Hilfe des Nutzhubs und der Nulllänge des Zylinders. Die Nulllänge beschreibt hierbei die Länge eines Zylinders ohne Nutzhub, d.h. dieses Maß beinhaltet die notwendige Länge für die Führungsbänder, den Anschluss, usw. Die Nulllänge erhaltet ihr in der Regel vom Zylinderhersteller in Abhängigkeit vom Kolbendurchmesser, der Anschlussart und der Zylinderbauart. Die Einbaulänge ergibt sich dann aus der Nulllänge des jeweiligen Zylinders und dem Nutzhub des selbigen.

Praxisbeispiel: Einfacher Scherenhubtisch

Es überrascht wohl niemanden, wenn wir einen Scherenhubtisch als Praxisbeispiel für die Auswahl eines Hydraulikzylinders verwenden. Um es möglichst einfach zu halten, werden wir hierfür einen einfachen Scherenhubtisch ohne Zusatzfunktionen verwenden, d.h. der Hubtisch verfügt nur über eine Hub- und Senkfunktion und nicht über weitere Extras wie eine Kippvorrichtung oder eine angetriebene Drehplattform. Also fangen wir an:

Die Zylinderart

Bei unseren Scherenhubtischen kommen ausschließlich einfachwirkende Hydraulikzylinder für die Hub- und Senkfunktion zum Einsatz. Die massive Bauweise und das damit verbundene Eigengewicht der Plattform und der Schere sorgen dafür, dass der Zylinder selbstständig einfährt. Das heißt wir müssen das Hydraulikaggregat nur während des Hubvorgangs aktivieren. Für die Abwärtsbewegung öffnen wir einfach das Senkventil und der Zylinder wird durch das Eigengewicht wieder zusammengedrückt. Wer mehr über die Funktionsweise eines Scherenhubtisches und der Ansteuerung der Hydraulik erfahren möchte, wird hier fündig.

Notwendiger Nutzhub

Wie oben bereits erwähnt, ergibt sich der notwendige Nutzhub aus den geometrischen Verhältnissen am Einsatzort. Ziel jedes Hubtischherstellers ist es einen möglichst konstanten Druckverlauf zu erreichen.
Den Druckverlauf wiederum beeinflusst man durch das Verhältnis der Hebelarme der Last und der Hebelarme der Hydraulikzylinder. Durch Berücksichtigung der Einbaulänge des Hydraulikzylinders und der Hebelarmverhältnisse haben wir folgende Größen für die Auswahl des Zylinders ermittelt:

  • eingefahrene Länge des Zylinders = 516 mm
  • ausgefahrene Länge des Zylinder = 767 mm
  • somit ergibt sich ein Nutzhub von 251 mm

Betriebsdruck oder Knickung

Die geometrischen Verhältnisse bestimmen nicht nur den notwendigen Nutzhub, sondern auch die notwendige Kraft des Hydraulikzylinders. Bei einem Scherenhubtisch wirkt die Last über die Scherenwangen und den Zylinderangriffen auf die Hydraulikzylinder. Das Hebelarmverhältnis bestimmt hierbei die notwendige Druckkraft, um die Zylinder ausfahren und die Last anheben zu lassen. Wenn die Kraft bekannt ist, kann der notwendige Kolbendurchmesser der Zylinder berechnet werden. Dabei gibt es zwei Größen, welche auf den Kolbendurchmesser Einfluss haben: Der Betriebsdruck und die Knickung des Zylinders.

In unserem Beispiel möchten wir beide Berechnungen durchführen, halten wir für den Moment aber folgende allgemeingültige Zusammenhänge fest:

Maximaler Betriebsdruck

Der maximal zulässige Betriebsdruck in einem Hydraulikkreislauf wird unter anderem von den Zylindern, den Schläuchen und der Hydraulikpumpe festgelegt. Hersteller von Hydraulikkomponenten geben für ihre Bauteile einen maximal zulässigen Betriebsdruck an. Die von uns eingesetzten Unterölaggregate erlauben beispielsweise einen maximalen, dauerhaften Betriebsdruck von 250 bar. Auch die von uns verwendeten Schläuche sind für diesen Betriebsdruck ausgelegt. Um die Langlebigkeit unser Produkte zu garantieren, legen wir Hydraulikzylinder so aus, dass ein maximaler Betriebsdruck von 200 bar nicht überschritten wird.

Der vorhandene Betriebsdruck kann mit folgender Formel berechnet werden:

Mit dem maximal zulässigen Betriebsdruck ergibt sich somit eine minimale Druckfläche für den Hydraulikzylinder:

Aus der Fläche lässt sich wiederum der minimale Durchmesser bestimmen:

Wenn man nur nach dem Betriebsdruck geht, müsste der Kolbendurchmesser des Zylinders somit mindestens 68,9 mm betragen.

Maximale Knickkraft

Gerade bei längeren Zylindern ist nicht mehr der Betriebsdruck die ausschlaggebende Kraft, sondern die kritische Knickkraft des Hydraulikzylinders. Die Sicherheit gegen Knicken soll bei unseren Konstruktionen minimal bei Faktor 3 liegen. Das heißt, die maximale Kraft auf den Hydraulikzylinder müsste dreimal so hoch sein, damit die Gefahr besteht, dass der Zylinder aufgrund der Knickung versagt.

Bei unserem Einsatzfall liegt der zweite Eulerfall vor, somit kann die kritische Knickkraft mit folgender Formel berechnet werden:

Das Flächenträgheitsmoment eines Kreises kann mit folgender Formel berechnet werden:

Wenn wir nun unseren Sicherheitsfaktor berücksichtigen, erhalten wir durch Umstellung folgende Formel zur Berechnung des minimalen Kolbendurchmessers:

Vergleichen wir den errechneten Wert mit dem Ergebnis beim Betriebsdruck können wir folgendes feststellen: Der notwendige Kolbendurchmesser beim Betriebsdruck ist größer, als der Kolbendurchmesser bei der Knickkraft. In diesem Anwendungsfall würde somit eher ein zu hoher Betriebsdruck herrschen, als dass Knickgefahr besteht. Da wir hier einen relativ kurzen Zylinder einsetzen, war dieses Ergebnis zu erwarten. Anders sieht dies beispielsweise bei unseren Säulenhebern aus. Die dort verwendeten Zylinder verfügen teilweise über einen Nutzhub von mehreren Metern. Hier ist nicht mehr der Betriebsdruck ausschlaggebend, sondern die maximal zulässige Knickkraft des Zylinders.

In der Praxis würden wir nun den größeren der beiden Kolbendurchmesser (also hier 68,9 mm) nehmen und mit diesem den passenden Zylinder auswählen. Natürlich wird man keinen Zylinder finden, welcher genau über einen Durchmesser von 68,9 mm verfügt. Stattdessen wählt man den nächstgrößeren Standard-Kolbendurchmesser des Herstellers.

Zudem werden den Hersteller noch weitere Daten interessieren, damit er den Zylinder konstruieren kann, z.B.:

  • der Einsatzzweck, um die Belastung abschätzen zu können
    (z.B. starke Druckspitzen, hohe Dynamik, usw.)
  • die Ein- und Ausfahrgeschwindigkeit
    (ggf. ist eine Endlagendämpfung erforderlich, usw.)
  • die Temperatur am Einsatzort
    (für die Auswahl des Dichtungsmaterials, ...)
  • ...


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