Hydraulikzylinder auswählen: Worauf muss ich achten?

Ob Radlader im Straßenbau, Dumper auf Baustellen oder hydraulische Spannvorrichtungen in Bearbeitungszentren – sie alle haben eines gemeinsam: Sie nutzen Hydraulikzylinder, um hohe Kräfte effizient zu übertragen.
Doch wie findet man den passenden Hydraulikzylinder für eine Anwendung? In diesem Artikel zeigen wir, welche Faktoren bei der Auswahl entscheidend sind und worauf geachtet werden sollte.
Auswahlkriterien für Hydraulikzylinder
Bei den Auswahlkriterien konzentrieren wir uns auf die wesentlichen Kenngrößen eines Hydraulikzylinders.
Weitere technische Details – wie das Anschlussgewinde oder die Einsatztemperatur – klärt Ihr Zylinderhersteller im Anfragestadium mit Ihnen.
Einfach- oder doppelwirkender Hydraulikzylinder?
Bei Hydraulik- und Pneumatikzylindern unterscheidet man zwischen einfach- und doppelwirkenden Zylindern.
- Einfachwirkende Zylinder werden nur in eine Richtung aktiv durch das Druckmedium bewegt, während die Rückstellung meist durch äußere Kräfte wie das Eigengewicht der Vorrichtung erfolgt.
- Doppelwirkende Zylinder hingegen werden sowohl beim Aus- als auch beim Einfahren aktiv durch das Druckmedium gesteuert.
Doch was bedeutet das in der Praxis?
Beispiel: Einfachwirkender Zylinder (Kipper)
Ein klassisches Einsatzbeispiel für einen einfachwirkenden Zylinder ist ein Kipper. Dieser transportiert schwere Lasten (z. B. Schotter) und entlädt sie durch das Neigen der Ladefläche.
- Beim Anheben der Ladefläche wird die Kolbenseite des Zylinders mit Druck beaufschlagt – der Zylinder fährt aus und die Ladefläche neigt sich.
- Beim Absenken wird kein zusätzlicher Druck benötigt. Das Eigengewicht der Ladefläche reicht aus, um den Zylinder nach dem Öffnen des Senkventils wieder einfahren zu lassen.
Beispiel: Doppelwirkender Zylinder (Lenkachse eines Radladers)
Doppelwirkende Zylinder werden eingesetzt, wenn eine aktive Bewegung in beide Richtungen erforderlich ist. Ein Beispiel ist die Lenkachse eines Radladers:
- Nehmen wir an, dass das Rad des Radladers sich nach rechts dreht, wenn die Kolbenstange mit Druck beaufschlagt wird.
- Da keine äußere Kraft für eine Gegenbewegung vorhanden ist, muss auch die Ringseite des Zylinders mit Druck beaufschlagt werden, um das Rad wieder nach links zu bewegen.
Notwendige Kraft
Eine zentrale Kenngröße eines Hydraulikzylinders ist die aufzubringende Kraft. Je nach Anwendungsfall muss ermittelt werden, welche Kraft für die aktive Bewegung erforderlich ist.
Zusammen mit der maximalen Knickkraft und dem zulässigen Betriebsdruck kann anhand der benötigten Kraft der notwendige Kolbendurchmesser berechnet werden.
Mehr dazu im nachfolgenden Praxisbeispiel.
Notwendiger Nutzhub
Der Nutzhub ist die Differenz zwischen der ein- und ausgefahrenen Position eines Hydraulikzylinders. Je nach Anwendungsfall kann er von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Metern variieren. Er wird durch die geometrischen Verhältnisse der Konstruktion bestimmt.
Die Einbaulänge des Zylinders hängt maßgeblich vom Nutzhub ab und setzt sich zusammen aus:
- Nulllänge des Zylinders
- Nutzhub des Hydraulikzylinders
Die Nulllänge bezeichnet die Länge des Zylinders ohne Nutzhub. Sie umfasst alle notwendigen Bauteile wie Führungsbänder, Anschlüsse etc. Diese Angabe erhält man üblicherweise vom Zylinderhersteller, abhängig von Kolbendurchmesser, Anschlussart und Bauart des Zylinders.
Berechnung der Einbaulänge:
Einbaulänge = Nulllänge + Nutzhub
Praxisbeispiel: Einfacher Scherenhubtisch
Für unser Praxisbeispiel betrachten wir einen Scherenhubtisch – ein klassisches Anwendungsgebiet für Hydraulikzylinder.
Um es möglichst einfach zu halten, wählen wir einen Standardhubtisch ohne Zusatzfunktionen.
Das bedeutet:
- Der Hubtisch verfügt nur über eine Hub- und Senkfunktion.
- Weitere Extras wie eine Kippvorrichtung oder eine angetriebene Drehplattform sind nicht vorhanden.
Die Zylinderart: Einfachwirkender Hydraulikzylinder
Unsere Scherenhebebühnen nutzen einfachwirkende Hydraulikzylinder. Durch die massive Bauweise und das damit verbundene Eigengewicht der Plattform und der Schere fährt der Zylinder nach Betätigung der Senktaste selbstständig ein.
Wie funktioniert das?
- Das Hydraulikaggregat ist nur während des Hubvorgangs aktiv.
- Für die Abwärtsbewegung reicht es, das Senkventil zu öffnen – das Eigengewicht drückt den Zylinder wieder zusammen.
Auf unserer Landingpage für hydraulische Hubtische finden Sie weitere Details zur Funktionsweise.
Welcher Nutzhub wird benötigt?
Wie bereits erwähnt, wird der notwendige Nutzhub durch die geometrischen Verhältnisse am Einsatzort bestimmt. Ziel eines jeden Hubtischherstellers ist es, einen möglichst konstanten Druckverlauf zu erreichen.
Der Druckverlauf wird maßgeblich vom Verhältnis der Hebelarme zwischen der Last und den Hydraulikzylindern beeinflusst. Unter Berücksichtigung der Einbaulänge des Zylinders und der Hebelarmverhältnisse haben wir folgende Werte für die Zylinderwahl ermittelt:
Technische Daten des Zylinders
- Eingefahrene Länge: 516 mm
- Ausgefahrene Länge: 767 mm
- Nutzhub: 251 mm

Betriebsdruck vs. Knickkraft: Was bestimmt den Kolbendurchmesser?
Die geometrischen Verhältnisse beeinflussen nicht nur den notwendigen Nutzhub, sondern auch die erforderliche Kraft des Hydraulikzylinders.
Bei einem Scherenhubtisch wirkt die Last über die Scherenwangen und Zylinderangriffe auf die Hydraulikzylinder. Das Hebelarmverhältnis bestimmt, welche Druckkraft nötig ist, um die Zylinder auszufahren und die Last anzuheben.
Sobald die benötigte Kraft bekannt ist, kann der Kolbendurchmesser berechnet werden. Dabei spielen zwei Faktoren eine wesentliche Rolle:
- Der Betriebsdruck
- Die zulässige Knickkraft
In unserem Beispiel möchten wir für beide Faktoren die Berechnung durchführen; halten wir für den Moment aber folgende allgemeingültige Zusammenhänge fest:
Betriebsdruck und Kolbendurchmesser:

Der Betriebsdruck ist umgekehrt proportional zum Kolbendurchmesser. Das bedeutet: Je größer der Kolbendurchmesser, desto geringer der benötigte Betriebsdruck.
Zulässige Knickkraft und Kolbendurchmesser:

Die zulässige Knickkraft steigt mit zunehmendem Kolbendurchmesser. Das heißt: Je dicker der Zylinder, desto stabiler ist er gegen Knickung.
Materialkosten und Kolbendurchmesser:

Die Materialkosten steigen mit zunehmendem Kolbendurchmesser.
Maximaler Betriebsdruck
Hersteller von Hydraulikkomponenten geben für ihre Bauteile einen maximal zulässigen Betriebsdruck an. Die von uns eingesetzten Unterölaggregate erlauben beispielsweise einen maximalen, dauerhaften Betriebsdruck von 250 bar. Auch die von uns verwendeten Schläuche sind für diesen Betriebsdruck ausgelegt.
Um die Langlebigkeit unser Hubtische zu gewährleisten, werden die Hydraulikzylinder so ausgelegt, dass ein maximaler Betriebsdruck von 200 bar nicht überschritten wird.
Aus dem maximal zulässigen Betriebsdruck ergibt sich die minimale Druckfläche für den Hydraulikzylinder:


Daraus lässt sich der minimale Kolbendurchmesser bestimmen:

Würde man sich ausschließlich nach dem Betriebsdruck richten, müsste der Kolbendurchmesser des Zylinders mindestens 68,9 mm betragen.
Zulässige Knickkraft
Gerade bei längeren Hydraulikzylindern ist nicht mehr der Betriebsdruck der entscheidende Faktor, sondern die zulässige Knickkraft.
Um eine hohe Sicherheit gegen Knicken zu gewährleisten, wird ein Sicherheitsfaktor von mindestens 3 angesetzt. Das bedeutet: Die maximale Kraft auf den Hydraulikzylinder müsste dreimal so hoch sein, damit die Gefahr besteht, dass der Zylinder aufgrund von Knickung versagt.
Da in unserem Beispiel der zweite Eulerfall vorliegt, kann die kritische Knickkraft mit folgender Formel berechnet werden:

Das Flächenträgheitsmoment eines Kreises wird mit folgender Formel bestimmt:

Unter Berücksichtigung des Sicherheitsfaktors erhalten wir durch Umstellung die Formel zur Berechnung des minimalen Kolbendurchmessers:

Ergebnis: Welcher Faktor bestimmt den Kolbendurchmesser?
Vergleichen wir die beiden errechneten Werte für den Kolbendurchmesser, ergibt sich für unser Praxisbeispiel:
- Der notwendige Kolbendurchmesser für den maximalen Betriebsdruck ist größer als der für die zulässige Knickkraft.
- Damit ist in diesem Fall der Betriebsdruck der maßgebliche Faktor.
Für unser Beispiel bedeutet das:
- Wir nehmen den größeren der beiden errechneten Kolbendurchmesser – 68,9 mm.
- Da dieser Wert kein Standardmaß ist, wählen wir den nächstgrößeren verfügbaren Kolbendurchmesser des Herstellers.
Die Bestimmung des Kolbendurchmessers allein reicht jedoch nicht aus. Für die endgültige Zylinderkonstruktion sind weitere Faktoren relevant, unter anderem:
- Der Einsatzzweck – um die Belastung abschätzen zu können (z. B. Druckspitzen, hohe Dynamik)
- Die Ein- und Ausfahrgeschwindigkeit – gegebenenfalls ist eine Endlagendämpfung erforderlich
- Die Einsatztemperatur – wichtig für die Auswahl des Dichtungsmaterials usw.
Wann ist die zulässige Knickkraft maßgeblich?
Da wir in unserem Praxisbeispiel einen relativ kurzen Zylinder verwenden, war dieses Ergebnis zu erwarten.
Anders sieht es bei unseren Säulenhebern aus:
- Dort beträgt der Nutzhub der Hydraulikzylinder teilweise mehrere Meter.
- In diesem Fall ist nicht der Betriebsdruck, sondern die maximal zulässige Knickkraft der entscheidende Faktor für die Dimensionierung des Kolbendurchmessers.
Haben Sie Fragen?
Wir sind gerne für Sie da! Kontaktieren Sie uns telefonisch oder per E-Mail:
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📧 E-Mail: info@j-lifte.com
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